Wenn heimische Vielfalt Tiere anlockt und den Gärtner entzückt
Alles fing mit dem Buch „Rewilding“ von Simone Böcker an. Darin macht die Autorin Mut, der Natur wieder mehr Raum zu geben und damit aktiv etwas gegen das Artensterben zu tun.
Inspiriert von dieser Idee dachte sich Hobby-Gärtnerin Ramona Lichtenthäler: „Mein Garten hat nur 120 Quadratmeter. Aber immerhin! Diese Fläche werde ich in ein Trittsteinbiotop verwandeln. Eine kleine Naturoase, die strukturreich und voller Leben ist und damit die biologische Vielfalt fördert. Einen Versuch ist es wert.“ Das war Ende 2023. Seitdem ist viel passiert. Gepackt von dem großen Wunsch, der Natur etwas Gutes zu tun, legte Ramona Lichtenthäler verschiedene naturnahe Strukturen in ihrem Garten an, darunter einen Teich, ein Sumpfbeet, einen Käferkeller, ein Sandarium und vieles mehr. Auch Vogel- und Fledermauskästen fanden ihren Platz.
Einfach war die Umgestaltung zunächst nicht: „In den ersten Monaten habe ich relativ planlos alle möglichen heimischen Pflanzen eingekauft und wild über mein Grundstück verteilt gepflanzt. Das sah zwar hübsch aus, hat in den meisten Fällen aber nicht wirklich gut funktioniert. Viele der Pflanzen sind leider eingegangen. Im Nachhinein macht das auch Sinn. Der Standort war nicht optimal gewählt.“ Nach dieser Erfahrung ging die Gärtnerin systematischer vor. Sie informierte sich umfangreich über die Standortbedingungen, legte eine Liste mit geeigneten Pflanzenarten an. Über 300 heimische, an die Region angepasste Arten sollten es schließlich werden. Und dann?
Die Insekten kommen!
Bereits nach wenigen Monaten haben sich die Bemühungen gelohnt: So hat sich die Zahl der erfassten Tierarten (darunter Schmetterlinge, Wespen, Käfer, Schwebfliegen, Wildbienen, Wanzen) inzwischen verdoppelt, wie die Gärtnerin betont. Was für eine Entwicklung! Zu diesem Vergleich kam die biologisch Interessierte, da sie bereits vor der naturnahen Umgestaltung eine Liste mit den im Garten gesichteten Arten angelegt hatte. Diese führte sie anschließend akribisch weiter. Mittlerweile hat sie dort 384 Tierarten notiert. Darunter sind bekannte Gesichter wie das Tagpfauenauge, der Siebenpunkt-Marienkäfer, die Gemeine Wespe, die Gartenkreuzspinne und die Weinbergschnecke. Aber ebenso weniger bekannte Namen wie die Spargel-Schmalbiene, die Hasenlatticheule, die Große Pechlibelle und die Behaarte Wiesenwanze.
Platterbsen-Mörtelbiene (Megachile ericetorum). Foto: Ramona Lichtenthäler
Ein wahres Aha-Erlebnis bescherte ihr der Hornklee (Lotus corniculatus). Diese leuchtend gelb blühende Pflanze lockte die Platterbsen-Mörtelbiene (Megachile ericetorum) an, die wiederum ein willkommener Wirt für die Kegelbiene Coelioxys aurolimbata ist – eine Kuckucksbiene. Die Ursache für die plötzliche „Artenexplosion“: Viele unserer Insekten sind auf bestimmte heimische Pflanzen – oder auch andere Tiere – als Nahrungsquelle spezialisiert. Je größer also die heimische Vielfalt im Garten, umso mehr Vielfalt lockt man damit zusätzlich an.
Nicht wirklich aufwendig
Auch in Sachen „Pflege“ ist die Groß-Zimmernerin positiv überrascht: „Den Rasen, den wir früher regelmäßig gemäht haben, kürze ich jetzt nur noch zweimal im Jahr mit einer Staudensichel. Das Jäten hat sich darauf reduziert, unerwünschte Neophyten (nicht heimische Arten), wie das sich invasiv ausbreitende Berufkraut, auszuzupfen. Auch Pflanzen, die versuchen, die "Weltherrschaft" in meinem Garten zu übernehmen, dämme ich in ihrer Ausbreitung ein bisschen ein.“ Hinzu kommt, dass die heimischen, trockenheitsverträglichen Pflanzenarten im Vergleich zu exotischen Arten oder Zuchtformen meist weniger Wasser benötigen. Das macht die Pflege einfacher.
Rasen ist nächste „Baustelle“
In der Naturoase von Ramona Lichtenthäler gibt es aber noch einen Bereich, den sie gerne verändern möchte – ihren ehemals „perfekten“ Rasen. Nach jahrelanger Mähroutine, kombiniert mit gutgemeinter Düngung, verfolgt sie nun auch hier das naturnahe Konzept, bei dem erwünschte Blühpflanzen stehenbleiben und sich versamen dürfen. Insgesamt sind beim naturnahen Gärtnern etwas Geduld und Neugier gefragt. Das Pflanzen- und auch Tierwissen stellt sich danach ganz automatisch ein und macht große Freude. Das zahlt sich am Ende aus. Für uns Menschen und die biologische Vielfalt!
Inspiriert und jetzt?
Wer inzwischen selbst Lust verspürt, seinen (Klein-)Garten, Balkon oder eine andere Fläche in eine lebendige, farbenfrohe Naturoase zu verwandeln, findet umfangreiche Unterstützung! Die Stiftung für Mensch und Umwelt bietet zum Beispiel das Buch „Der Handlungsleitfaden: Naturnahe Gestaltung von Wohnquartieren. Praxistipps für Planung, Anlage und Pflege“ an. Darin sind zahlreiche Tipps für die Anlage von naturnahen Strukturen enthalten (Magerwiese, Sandarium, Käferkeller etc.) Auch der Umgang mit „Unkräutern“ ist lesenswert. Wer sich umfassend in das Thema einarbeiten möchte, findet mit dem neuen Online-Kurs „Naturnahes Grün“ eine weitere Möglichkeit, sich zeit- und ortsunabhängig weiterzubilden. Legen Sie los!
Mehr unter: www.treffpunkt-vielfalt.de/lernplattform-naturnah.html
Stiftung für Mensch und Umwelt
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